Der Brautzug im Frühling

Foto: Claudia Hübschmann

Am 17./18.Mai 2003 fand in Meißen das Ludwig-Richter-Wochenende statt. Höhepunkt war die szenische Nachstellung des Gemäldes “Brautzug im Frühling”. Die Resonanz war überwältigend. Im Herbst wird der Brautzug nochmals durch die Meißner Altstadt ziehen.

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Die  “Sächsische Zeitung” schreibt dazu am Montag, dem 19. Mai 2003:

Der Maler führt den Brautzug an

Meißen feiert 200. Geburtstag Ludwig Richters und stellt ein Gemälde nach / 15 000 Gäste besuchen Töpfermarkt

Von Ulrike Körber

Die Lippen sind geschminkt, die Haare unter den Häubchen versteckt — 23 Akteure rüsten sich am Sonnabend Mittag zum Höhepunkt der Veranstaltungen im Meißner Ludwig Richter-Jahr. Seit Monaten basteln Ehrenamtliche an Kostümen und am Bühnenbild, um ein Gemälde des Romantikmeisters szenisch nachzustellen. Der Rathaussaal hat sich zur Frisierwerkstatt gewandelt. Nach Haarlack riecht es hier und nach Pomade, Creme und Puder. Die Rüschen werden ein letztes Mal gezupft. In all dem Gewusel stehen nur Christoph Ruppert und Felix Hirsch, die beiden Neunjährigen, wie die Puppen geschminkt angewurzelt in einer Ecke und verträumen fast den Aufbruch in die Franziskanerklosterkirche, wo das Bild „Brautzug im Frühling“ entstehen soll. Ein Schubs und es geht los. Die Kinder schnappen ihre Kränze und marschieren den Damen hinterher, die in ihrem langen Röcken die Treppe hinunter trippeln. Sie schleichen aus der Hintertür vom Rathaus hinaus auf den Heinrichsplatz. Doch alle Geheimnistuerei hilft nichts. Ein Johlen und Trillern geht los, als die Menge sieht, wie 23 Kostümierte auf ihrem Weg zum Brautzug um die Ecke biegen.

Kurz 14 Uhr ist kein Durchkommen mehr auf dem Töpfermarkt. Ein Drängeln und Stoßen, Murmeln und Rufen. Ganz Meißen scheint auf den Beinen zu sein. Die Töpfer schauen mit Sorge bei dem Geschiebe nach ihren Waren. Kein Mensch interessiert sich jetzt für das irdene Geschirr, alle recken die Hälse, warten, was passiert. Eine halbe Stunde lang. So lange formieren sich die Laiendarsteller als lebendiges Bild im Museum. Ohne auch nur mit der Wimper zu zucken stehen sie. Da endlich — ein Klingeln und der Hochzeitsmarsch ertönt. Die Figuren rühren sich, raffen die Röcke und steigen über die drapierten Gräser und Steine hinaus zu ihrem Publikum. Dieter Kubol, ein Gast aus Berlin, ist hin und weg. „So was habe ich noch nicht gesehen. Wer ist denn der im grünen Frack da vor dem Zug?“ fragt er. „Der Oberbürgermeister von Meißen, ach ne, wie nett.“ Kubol prostet den Akteuren zu.

 

Nach drei Stunden immer noch über Kunst parlieren

Es ist geschafft. Es hat geklappt. Der Zug setzt sich in Bewegung durch die Stadt. Christine Weich wischt sich die Tränen aus den Augen. Für sie hat sich die monatelange Näherei an 23 Kleidern gelohnt. Stolz und erleichtert schreitet sie hinter dem Hochzeitspaar die Elbstraße entlang. So weit das geht, denn immer mehr Publikum rückt heran.

Allen voran marschiert der Maler selbst, alias Helmut Brück, und OB Thomas Pohlack, der den Bürgermeister Brähmig von anno 1830 gibt. Und als ob das Biedermeierkostüm Pohlack von seinem Amt für Stunden entrückt, sortiert er von Zeit zu Zeit die Kinder im Brautzug vor die Kameras der Gäste, hüpft wieder zurück zum Arm seiner Begleiterin, einer Jungfer in grauem Kleid: Kulturreferentin Renate Fiedler. Die schmettert hinter den Akkordeonspielern so manches Volkslied mit der Menge. So geht das stundenlang durch die Straßen von Meißen mit einem Halt bei Vincenz Richter und hinter der Frauenkirche. Nach drei Stunden ist der Gästetross hinterm Brautzug schmaler geworden. Nur noch wenige Besucher kraxeln die Stufen zum Dom mit hinauf. Sie kommen schnaufend auf der Burgbrücke an, ein wenig malade wie es scheint und mit schmerzenden Füßen. Nur Brück, der Malermime, wird nicht müde, über Kunst und Leben Richters zu parlieren.

Doch während oben auf dem Berg die Hochzeitsgesellschaft auf ihrem letzten Gang durch den Dom marschiert, und sich dann endlich im Burgkeller zum Bier auf die Stühle fallen lassen kann, schwärmen auf der Elbstraße immer noch Neugierige auf den Töpfermarkt ein. Es ist bereits um 17 Uhr. Endspurt für die 60 Handwerksmeister. „Na ja, viel verkaufen konnte ich nicht“, sagt ein Töpfer aus Rietschen. „Den Kunden sitzt das Geld nicht locker, sie kommen nur gucken und nehmen mal was kleines mit, `nen Blumentopf, der Saison entsprechend.“

Elisabeth Großmann, die Chefin der Tourist-Information ist begeistert über den diesjährigen Besucheransturm. „Mehr als erwartet sind gekommen“, freut sie sich. „Ich schätze, 15 000 Gäste waren da.“ Von vielen Neugierigen umstanden ist auch der Stand von Daniela Schulz aus Anklam. Sie ist zum ersten Mal auf dem Töpfermarkt in Meißen und will hier die pommersche Keramik mit ihren stilisierten, maritimen Ornamenten bekannt machen. „Ich bin nicht hier, um viel Geld zu verdienen, wichtiger sind mir die Gespräche hier“, sagt sie. Die haben sich gelohnt, so ihr Resümee.

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